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Die App ist tot – lang lebe die App!

Autor: Benjamin Franz

Lesedauer:

Aug 2017

Jeden Tag öffnen die meisten von uns unzählige Apps um zu kommunizieren, sich zu informieren oder sich unterhalten zu lassen. Apps sind eine tolle Sache! Trotzdem gibt es diverse Anzeichen für einen Wandel – doch fangen wir vorne an:

 

Was war der ursprüngliche Zweck von Apps?

Die ersten Apps, die sich nach der Veröffentlichung des Apple AppStores 2008 rasant verbreitet haben, hatten eins gemeinsam: sie lösten eine spezifische Aufgabe innerhalb kurzer Zeit (Apps zur Unterhaltung mal ausgenommen). Typischerweise hatten Apps zu diesem Zeitpunkt sehr wenige aber dafür hochspezialisierte Funktionen. Zwei Beispiele:

Beispiel 1: PicSay ist eine App zur einfachen Bildbearbeitung. Mit der App konnte man damals auf ein vorhandenes oder neu geschossenes Foto vorgegebene Sticker oder Sprechblasen kleben und das entstandene Kunstwerk dann wieder abspeichern. Filter? Gab es nicht. Eine Möglichkeit das Foto zu teilen? Gab es nicht. Eine Möglichkeit bearbeitete Fotos erneut zu editieren? Sie können es sich denken…

Beispiel 2: Ebay war sowohl auf iOS als auch auf Android früh mit einer eigenen App vertreten. Der Funktionsumfang beschränkte sich auf das Heraussuchen von einem interessanten Angebot sowie dem Mitbieten. Es gab keine Möglichkeit eigene Angebote zu erstellen oder das Profil anzupassen etc.

Der Vorteil liegt auf der Hand: man kam schnell zum Ziel und konnte sich danach wieder etwas anderem widmen.

 

Wie haben sich Apps seitdem entwickelt?

Kurz und knapp: Apps sind komplexer geworden. Entwickler haben im Laufe der Zeit immer mehr Funktionen integriert und somit oftmals die Einsatzmöglichkeiten stark erhöht. Apps haben mittlerweile oft nicht mehr nur eine einzelne Aufgabe, sondern vielfältige Aufgaben rund um einen Themenkomplex. Zwei weitere Beispiele:

Beispiel 3: Mit dem DB Navigator der Deutschen Bahn kann man vor der Reise Informationen zu Zugverbindungen einholen, sich kurz vor oder während der Reise mit Live-Informationen zu Verspätungen und Abfahrtgleisen versorgen und das mittlerweile auch über verschiedene regionale Verbundtarifgebiete hinweg. Weiterhin kann man Tickets & eine BahnCard kaufen bzw. gekaufte verwalten oder auch mal schnell ein Mietwagen bzw. ein Mietfahrrad buchen.

Beispiel 4: Die Banking App der ING Diba ermöglicht die Übersicht über Konten, Kredite oder Depots. Zusätzlich lassen sich auf Wunsch Geldautomaten finden, die Bankkarten sperren oder die Börsen weltweit beobachten. Selbstverständlich kann ich mich auch direkt über Vorsorgepläne informieren und Kunden Werben bzw. mir für geworbene Kunden eine Prämie aussuchen.

Auch hier liegt der Vorteil auf der Hand: mit der steigenden Funktionsvielfalt kann über das Smartphone oder das Tablett immer mehr erledigt werden. Hierdurch gehören nervige Gerätewechsel („Mist, das geht ja nur am Laptop.“) immer mehr der Vergangenheit an. Weiterhin führt die steigende Funktionsvielfalt dazu, dass der Nutzer zunehmend seine individuellen Probleme lösen kann bzw. seine individuellen Aufgaben bearbeiten kann.

Auf der anderen Seite steigen mit zunehmendem Funktionsumfang auch die Komplexität der Interfaces und damit der Bedienung. Es wird daher zunehmend wichtiger sich mit den Abläufen und Aufgaben der Benutzer auseinanderzusetzen und nicht einfach nur alle Funktionen anzubieten, die man technisch anbieten kann.

 

Wie entwickeln sich Apps in der Zukunft?

Ich bin der Meinung, dass sich die Apps in Zukunft noch weiter an den Nutzer und dessen Bedürfnisse anpassen (müssen). Sie werden immer mehr dazu übergehen (müssen) meine individuellen Nutzerprobleme zu lösen bzw. meine individuellen Nutzeraufgaben in einem größeren Umfang zu bearbeiten.

In den täglichen Nutzertests bei Custom Interactions kann zunehmend beobachtet werden, dass Nutzer davon genervt sind, dass sie derzeit für eine Aufgabe mehrere Apps verwenden müssen. Hierbei sind oftmals alle benötigten Informationen in verschiedenen Apps vorhanden und müssen durch den Nutzer „nur noch“ zusammengebracht werden. Hier stellt sich die Frage: Warum muss das der Nutzer tun? Ein Beispiel:

Ich habe über verschiedene Apps die Möglichkeit, mich über Angebote der lokalen Supermärkte zu informieren. Dazu muss ich die verschiedenen Apps der Reihe nach durchsehen und mir merken, was ich wohl wo kaufen möchte. Diese Informationen gleiche ich parallel mit meiner Einkaufslisten-App und einer Rezepte-App ab, um ggf. die unvollständige Einkaufsliste noch zu ergänzen. Das über allem stehende Ziel: schnell entscheiden was wir in den nächsten Tagen essen wollen und dann in jedem Supermarkt alle gewünschten Produkte kaufen und dabei nichts zu vergessen. Alle Informationen sind auf meinem Smartphone vorhanden. Zusammenführen muss ich sie aber manuell und genau hier setzt ein Wandel ein:

Zunehmend entwickeln sich Dienste wie IFTTT oder Workflow, die es mir ermöglichen, Arbeitsabläufe über App-Grenzen hinweg abzubilden. Als Nutzer möchte ich nämlich gar nicht der Zwischenspeicher für eine Fülle von Informationen sein und manuell neues Anstoßen, wenn etwas anderes vorher eingetreten ist. Diese Dienste haben noch den Nachteil, dass ich sie aufwändiger konfigurieren muss. Ich muss mir die Arbeitsabläufe vorab überlegen und die verschiedenen Informationsspeicher vorab miteinander verknüpfen (wenn sie denn verfügbar sind). Erst danach kann ich dann von meinem selbst erstellten Ablauf profitieren. Das ist umständlich und in der Praxis weniger relevant – zeigt aber auch wohin die Entwicklung geht.

Der nächste Schritt wird es sein, dass die Arbeitsabläufe nicht mehr manuell erzeugt werden müssen sondern „spontan“ automatisch erzeugt werden können. Hier liegt ein riesiges Potential für Sprachinterfaces mit entsprechender KI: ich sage was ich möchte und mein persönlicher KI-Assistent verknüpft die Informationen im Hintergrund und beantwortet meine Frage. Klingt gut oder?

 

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